Orgel erbaut von: Joseph Bittner, Eichstätt, 1913
Restaurierung durch Orgelbau Kuhn, Männedorf/CH
Windladen: Taschenladen
Traktur: mechanisch-pneumatisch
Registratur: elektropneumatisch
Verbreitung und System der Bittner-Orgeln
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts sind die Instrumente der Orgelbauerfamilie Bittner ein wesentlicher Bestandteil der Orgellandschaft Bayerns. Die verhältnismässig grosse Zahl gebauter Orgeln in der Zeit bis zum 2. Weltkrieg lässt durchaus auf eine Wertschätzung der Bittner-Orgeln schliessen. Auch Bittner war als Folge der Entwicklungen gezwungen, gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur pneumatischen Steuerung zu wechseln. Schliesslich setzte sich bei ihm der Bau von sogenannten "Schüsselladen" durch. Wie bei anderen Ladentypen mit Registerkanzellen besitzt hier jede Pfeife ihr eigenes Ventil. Die Ledermembranen sind auf einem schüsselförmigen Holzplättchen aufgeleimt. Aus heutiger Sicht muss man leider feststellen, dass diese Konstruktion sich in keiner Weise bewährt hat. Nicht die Funktion an sich ist dabei dass Problem, sondern die Zugänglichkeit zu den Ventilen. Wenn ein Leder schadhaft ist oder wenn Schmutz auf das Ventil fällt, ergibt sich eine Störung. Um diese zu beheben, müssen alle Pfeifen ausgebaut werden, was einen enormen Zeitaufwand erfordert.
Technische Umbauten 1964 und 1992
Mit zunehmendem Alter haben sich die Störungen natürlich gehäuft. So entschloss man sich 1964, die Mängel der Pneumatik (Verzögerung) durch die Elektrifizierung der Orgel zu beheben. Ein neuer Spieltisch war hierfür notwendig, und an Stelle der Membranen zur Auslösung der Ventile traten Elektromagnete. Im Jahr 1992 wurden die massiven Fundamentplatten der Windladen ausgeschnitten, um die Zugänglichkeit zu den Ventilen von unten zu ermöglichen. Ein Ausbau der Pfeifen war so nicht mehr notwendig, um an die Ventile zu gelangen. Der Gedanke war sicher richtig, doch die Ausführung liess zu wünschen übrig. Durch diese Massnahme wurden die Laden statisch geschwächt. Deren Abstützung war schon von Beginn weg ungenügend, nun aber ergaben sich Senkungen in der Mitte von bis zu 3 cm! Dies führte naturgemäss erneut zu Störungen. Hinzu traten - nach fast 50 Jahren des Gebrauchs - Mängel an den elektrischen Bauteilen.
Situation vor der Restaurierung
Dennoch war erstaunlich, dass die Orgel in ihrer fast hundertjährigen Geschichte sowohl in ihrer Anlagekonzeption als auch vor allem im klanglichen Bereich kaum Veränderungen erfahren hat. Dies spricht nicht zuletzt für die Qualität des Pfeifenmaterials von Bittner.
Ein besonderer Stellenwert kommt der Orgel zu, weil sie eine Einheit mit dem Kirchenraum bildet, wurde sie doch für die neue Kirche erbaut und im gleichen Jahr 1913 vollendet. Es handelt sich zudem um die grösste erhaltene Orgel der Orgelbauerfamilie Bittner, ein repräsentatives Instrument also, welchem mindestens ein Denkmalwert von regionaler Bedeutung zukommt.
Ansatz für das Restaurierungskonzept
Eine wesentliche Entscheidungshilfe erhielt die Orgelkommission beim Besuch der Walcker-Orgel in der Kirche St. Georg in Ulm . Dort stand man im Jahr 2000 vor einer vergleichbaren Situation. Ein Rückbau auf das rein pneumatische System war dort ebenso wenig gewünscht wie die Erhaltung der elektrischen Steuerung. Folgendes Konzept wurde dort realisiert:
- Restaurierung des Pfeifenwerks, klangliche Rückführung veränderter Register
- Restaurierung der Windladen (Kegelladen)
- Neuer Spieltisch mit mechanischen Koppeln
- Mechanische Traktur zu den Spielladen in nächster Nähe der Windladen
- kurze pneumatische Traktur von den Spielladen zu den Vorrelais der Windladen
- pneumatische Registratur mit Magneten in den Registerzügen (Setzer)
Die Umsetzung dieses Konzeptes führte zu einem aussergewöhnlichen Ergebnis. Die Spieltraktur aller Manuale ist äusserst präzise, und doch bleibt die Charakteristik der Pfeifenansprache auf Kegelladen als Folge der authentischen pneumatischen Auslösung der Ventile erhalten.
Die Restaurierung
Was lag also näher, als sich in Beilngries an diesem Konzept zu orientieren. Im Vergleich zu der Orgel in Ulm waren allerdings tiefer greifende Massnahmen notwendig. Die bereits veränderten "Schüsselladen" wurden auf ein bewährtes Taschenladensystem umgebaut. Die Substanz der alten Windladen mit den Pfeifenstöcken, Rastern und pneumatischen Vorrelais etc. blieb dabei erhalten. Jede Pfeife der Orgel steht auf demselben Platz wie vor der Restaurierung. Selbstverständlich sind jetzt die Ventile von der Unterseite der Laden her zugänglich. Die Statik der Orgel wurde durch zusätzliche Abstützung der Windladen umfassend verbessert. Praktisch unverändert erhalten blieb die Windanlage der Orgel mit allen alten Doppelfaltenbälgen, es wurde lediglich ein neues elektrisches Gebläse eingebaut. In der Detailgestaltung des Spieltischgehäuses lehnten wir uns an Vorbilder von Bittner an.
Die mechanische Spieltraktur bis unter die Windladen verläuft horizontal, weitgehend unter dem Fussboden. Die Registertraktur wurde in elektropneumatischer Ausführung neu gebaut. Vom Spieltisch aus erfolgt die Schaltung elektrisch auf zentral in der Orgel positionierte Umschaltrelais. Von diesen Relais aus verläuft die pneumatische Anspielung über Bleirohre zu den alten Registerstationen. So ergibt sich im Innern der Orgel durchaus die handwerkliche Ästhetik einer pneumatischen Orgel.
Den klanglichen Qualitäten dieser Orgel stehen mit diesen Ausführungen eine solide Konstruktion und eine langfristig funktionsfähige Technik gegenüber. Der Aufwand hierfür war fraglos sehr hoch, wir sind aber überzeugt, dass sich dieser rechtfertigt. Es wurde ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Zeugnis der Orgelbauerfamilie Bittner erhalten. Kirchenraum, Orgelgestaltung und Klang bleiben eine Einheit und sind Zeugen ihrer Zeit.
Vergelt´s Gott dem Orgelbau Kuhn für das Bild und Textmaterial!
www.orgelbau.ch/kontakt
© Orgelbau Kuhn AG Nov.2012
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